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Linear-Grotesk-Familie: Keine Helvetica? Doch, aber ganz neu gedacht

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Erik Spiekermann, Anja Meiners und Ralph du Carrois haben sich des Genres Linear-Grotesk angenommen. Ihre Schriftfamilie Case beweist: Neutral muss nicht langweilig sein.

Schriftfamilie Case
Typedesigner at work: Na, erkennen Sie, wer hier die Lesbarkeit der Case-Schnitte genau prüft? Bei der Case Micro (jeweils die beiden unteren Reihen) fällt das r mit Serife aus dem Rahmen, ebenso das n mit abgeschrägtem Stamm oder das f mit heruntergezogenem Querstrich – alles für mehr Weißraum in den Buchstaben und somit für bessere Lesbarkeit.

PROJEKT Gestaltung der serifenlosen Schriftfamilie Case
TYPEDESIGN Erik Spiekermann sowie Ralph du Carrois und Anja Meiners, Gründer der Foundry bBoxType, alle Berlin
MASTERING UND PRODUKTION Andreas Frohloff und Christoph Koeberlin, beide Berlin
KONZEPT UND MARKETING Ivo Gabrowitsch, Gründer der Foundry Fontwerk, Berlin
TOOLS Blei- und Filzstifte, Zeichenpapier und jede Menge Ausdrucke, Glyphs, BBEdit, FontTools/TTX und OTMaster
ZEITRAUM Anfang 2016 bis Oktober 2020

»Man müsste mal …« Sätze, die so beginnen, kennt jeder zur Genüge. »Man müsste mal an die Helvetica ran und sie ins Heute holen«, sagte Erik Spiekermann vor mehr als zwanzig Jahren und begann mit einem Entwurf namens Germanica, den er jedoch nie fertig­stellte. Neue Nahrung bekam dieses Vorhaben nach vielen Custom-Type-Projekten, die er zusammen mit den Typedesignern Anja Meiners und Ralph du Carrois in der letzten Zeit realisiert hatte. Immer wieder sag­ten die Auftraggeber: »Wir hätten gerne eine Helvetica, nur etwas individueller und moderner.«

Erik Spiekermann sieht die Helvetica durchaus kri­tisch: »Für eine Schrift der 50er war sie viel zu manieriert. Sie sollte damals gegen die Akzidenz-Grotesk antreten und tat das, indem sie deren Eigenheiten und Ornamente eliminierte. Übrig blieb ein Alphabet, in dem alle Buchstaben einander viel zu ähnlich waren, der Klang war raus und der Rhythmus sowieso.« Selbst die Zurichtung sei manieriert: so eng wie tech­nisch möglich, aber nicht leserlich. »Toll für Überschriften und kurze Absätze, aber nichts für lange Texte. Da war am Ende selbst der Klon besser, die ­Arial.« Für Brandingprojekte findet er die Helvetica ohnehin ungeeignet: »Sie ist die Fahrstuhlmusik der Typografie – nie ganz falsch, aber auch nie richtig. Toastbrot eben: Passt zu jedem Belag, hat aber keinen zusätzlichen Nährwert.«


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