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Making-of: Genderneutraler Variable Font

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Schriften haben kein Geschlecht. Um das zu untermauern und mit herrschenden Stereotypen aufzuräumen, gestaltete Beatrice Caciotti den Variable Font Bumpy.

Für ihre Masterthesis forschte Beatrice Caciotti eingehend zum Thema Gender-Stereotypen in der Typografie. Bumpy ist ein gesellschaftliches Statement, gleichzeitig aber auch ein schöner Displayfont für verschiedenste Anwendungen

Es fängt schon bei der Handschrift an: Ein flüssi­ges, schwungvolles Schriftbild assoziieren wir mit Frauen – kleine, krakelige oder die berühmte Ärzteklaue mit Männern. Diese Stereotype setzen sich bei digitalen Typen fort. Verschnörkelte, zarte und Scriptfonts gelten als weiblich, kräftige, strenge, geometrische als männlich – so manifestieren sich längst überkommen geglaubte Vorurteile vom »schwachen« und »starken« Geschlecht.

Für die italienische Grafik- und Webdesignerin Bea­trice Caciotti stand fest, dass sich ihre Master­arbeit im Studiengang Design, Comunicazione Visi­va e Multimediale an der Sapienza Università di Roma um Schrift drehen sollte. »Typografie hat mich schon immer fasziniert, ich hatte aber nie die Gelegenheit, mich darin zu vertiefen«, erzählt sie. Also belegte sie einen Typedesignkurs an der Schule CFP Bauer in Mailand, an der einer der talentiertesten Schriftgestalter Italiens lehrt: Alessio D’Ellena, der dann auch zum Betreuer ihres Projekts wurde. »Ich wollte aber nicht nur eine neue Schrift gestalten, sondern sie in einen gesellschaftlich spannenden Zusammenhang einbetten«, berichtet Caciotti. Gender-Stereotype in der Ty­pografie zu untersuchen schien ihr interessant genug für ihre Masterarbeit.

Barbie versus He-Man

Prägnante Belege für solche Klischees in der Typografie fand sie im 19. Jahrhundert. William Morris, britischer Designer, Drucker und einer der Köpfe der Arts-and-Crafts-Bewegung, verabscheute die Ästhe­tik maschinell hergestellter Bücher, die dort verwendeten Schriften beschrieb er als übermäßig verziert, leicht und feminin. Morris und auch andere Typografen wie Theodore Low De Vinne plädierten für ei­ne Rückkehr zu vorindustriellen Schriften, zu schwe­ren, robusten und dunklen Formen, um die Kraft und Männlichkeit der gedruckten Seite wiederherzustel­len. »Auch heute noch sind solche typografischen Gender-Stereotype wirksam«, sagt Caciotti. »Wer sich davon überzeugen will, braucht bloß ›feminine font‹ oder ›girly font‹ zu googeln oder sich die Logos von Spielzeugen wie Barbie oder My Little Pony beziehungsweise He-Man oder G.I. Joe anzuschauen.«


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